
Aby Warburgs Vermächtnis und die Zukunft der Ikonologie
Seit 2013 widmet sich der Forschungsverbund „Bilderfahrzeuge – Aby Warburg’s Legacy and the Future of Iconology“ der Erforschung der Migration von Bildern, Objekten, Waren und Texten, kurz gesagt der Wanderung von Ideen in einem breiten historischen und geografischen Kontext. Seit 2018 befindet sich der Verbund in der zweiten Laufzeit. Er wird gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und in Kooperation mit der Max Weber Stiftung ausgeführt. Neben dem Warburg Institute in London zählen zu den weiteren Mitgliedern des Forschungsverbunds das Kunstgeschichtliche Seminar der Universität Hamburg und das Warburg-Haus, das Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin, das Kunsthistorische Institut in Florenz sowie das Kunsthistorische Seminar der Universität Basel. Jede der Institutionen wird durch einen der fünf Direktoren repräsentiert, die für die Leitung des Verbunds verantwortlich sind: Andreas Beyer (Basel), der zudem als Sprecher des Forschungsverbunds fungiert, Horst Bredekamp (Berlin), Uwe Fleckner (Hamburg), Bill Sherman (London) und Gerhard Wolf (Florenz).
Ziele
Der Forschungsverbund strebt einen grundlegenden Beitrag zur Kulturgeschichte an – durch eine Bild- und Ideengeschichte, die in interdisziplinärer und internationaler Forschung erarbeitet wird. Durch ihre besondere Expertise im Umgang mit Bildern verfügt die Kunstgeschichte über die Möglichkeit, die eigenständige Bedeutung des Bildes zu identifizieren und diese wiederum als unabhängigen und konstitutiven Aspekt in eine interdisziplinäre Kulturwissenschaft einzubringen. Gleichzeitig besteht einer der besonderen Vorzüge des Projekts darin, dass der genuine Charakter des Bildes im Fokus steht, ohne damit einen Widerspruch zwischen Bild und Sprache zu generieren. Vielmehr wird angestrebt, den komplementären Aspekt von Sprache nachzuzeichnen. Da die Kunstgeschichte im Allgemeinen ein prädestinierter Partner für weitreichende, interdisziplinäre Forschung ist, nutzt auch das Projekt Bilderfahrzeuge ganz besonders den fachübergreifenden Dialog, um einen umfassenden kulturwissenschaftlichen Ansatz zu befördern. Ziel ist es, durch die Analyse der Bilderfahrzeuge das taugliche und grundlegende Werkzeug zu liefern, um den Transfer von Bildkonzepten und -formen zu erfassen, und dies in globaler Perspektive. In medienwissenschaftlicher Hinsicht liegt der Fokus auf den „Fahrzeugen“ in ihrem jeweils spezifischen historischen Format. Zugleich stellen die „Bilder“ den eigentlichen Kern der Forschung dar. Das Projekt nutzt materielle Bilder ebenso wie sprachliche und interessiert sich zugleich für den Zugang zu Bildern und deren Gebrauch in den Geisteswissenschaften und den Wissenschaften allgemein.
Warburg
Das Projekt widmet sich nicht primär der monographischen Warburg-Forschung – auch wenn sich einige wissenschaftliche Mitarbeitende hierauf konzentrieren. Die Arbeit des Forschungsprojekts ist gleichwohl eng mit den Erkenntnissen und Debatten Warburgs und seines Kreises verbunden. Diese bilden gleichsam das Fundament für die methodischen und theoretischen Einzelstudien, die im Zuge des Projekts durchgeführt werden. Warburgs Methoden und Ansätze erlauben einen höchst sensiblen und zugleich expansiven Umgang mit Bildern, was von grundlegender Bedeutung ist, da nahezu alle Aspekte des modernen Lebens von Bildern beeinflusst werden. Dies gilt für die Unterhaltungsindustrie ebenso wie für die Bebilderung von Waren oder für die politische Sphäre. Mit möglicherweise noch erheblicheren Konsequenzen wirken sich Bilder auf sämtliche Bereiche des Wissens und der Forschung aus – nicht nur in den Geistes-, sondern auch in den Naturwissenschaften. Zu Beginn des neuen Medienzeitalters demonstrierte Warburg die breite Anwendbarkeit seiner Methoden, etwa, indem er die internationale Presse und die Kriegspropaganda über den Verlauf des ersten Weltkriegs verfolgte und dabei auf seine Erfahrungen im Umgang mit der Bildgeschichte zurückgriff. Hier zeigen sich die Möglichkeiten, die eine Rekonstruktion und Weiterentwicklung seines Forschungsansatzes bieten. Dieser Ansatz ist eng verbunden mit der Denkschule der Ikonologie, namentlich mit der Person Erwin Panofskys, vielleicht Warburgs berühmtestem Schüler und dessen Konzept einer Bildanalyse. Die Schule der Ikonologie soll als Ausgangspunkt einer neuen, integral transkulturellen und transepochalen intellektuellen Forschungsmethode der Bildergeschichte dienen.
Bilderfahrzeuge
Der Begriff „Bilderfahrzeuge“ wurde geprägt durch den deutschen Kunsthistoriker Aby Warburg (1866–1929). Er beschreibt ein Konzept, das für Warburg von höchster Wichtigkeit war, da seine Arbeit versuchte, die Kontinuitätslinien zwischen Antike und Renaissance aufzuzeigen – Linien, die, wie er empfand, ausschließlich aus einer „Bildwanderung“ entstanden. Selbstverständlich war Warburg weder der Einzige, der an diesem Problem interessiert war, noch der Erste, der sich damit auseinandersetzte. „Die Migration der Symbole“, eine Studie des Grafen Goblet D’Alviella aus dem Jahr 1891, ist ein frühes Beispiel für eine Reihe von Arbeiten, die einen ähnlichen Ansatz verfolgten. Dennoch war es Warburg, dem es gelang, das Phänomen selbst bildlich darzustellen: in Gestalt seines berühmten Bilderatlasses, dessen Protagonisten – Motive, deren Wanderung durch Raum und Zeit über die verschiedenen Tafeln hinweg nachgezeichnet wird – nichts anderes als „Bilderfahrzeuge“ sind.
Weitere Informationen:
bilderfahrzeuge.hypotheses.org
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Kontakt:
Dr. Steffen Haug
The Warburg Institute
Woburn Square
London WC1 0AB
England
Tel: +44 (0) 20 78 62 87 75
E-Mail: haug(at)bilderfahrzeuge.org