Vergangenheit erforschen, um die Gegenwart zu verstehen und Zukunft zu gestalten

Dr. Mirjam Brusius, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Kolonial- und Globalgeschichte am Deutschen Historischen Institut London, ist eine der diesjährigen Gewinnerinnen des neu aufgelegten Dan-David-Preises – dem aktuell größten Geschichtspreis der Welt. Eine Kommission, bestehend aus renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern historischer Disziplinen, evaluierte in einem strengen Auswahlverfahren hunderte Nominierungen aus der ganzen Welt. Neben Dr. Brusius werden acht weitere herausragende Historikerinnen und Historiker jeweils mit 300.000$ als Anerkennung für ihre bisherigen Leistungen und zur Unterstützung ihrer zukünftigen Arbeit ausgezeichnet.

Dr. Mirjam Brusius ist Kultur- und Wissenschaftshistorikerin und befasst sich mit dem Transfer von Objekten und Bildern in und zwischen Europa, dem Nahen Osten und Asien. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Fotografiegeschichte, Museums- und Sammlungsgeschichte und die Geschichte des Rassismus in kolonialen Kontexten. Ihre Projekte befassen sich sowohl mit der Herkunft als auch mit der Zukunft von Museumsobjekten, von ihrer Ausgrabung und Auslagerung in Museumsdepots, bis hin zur Repatriierung von Objekten. Weiter erforscht sie den Missbrauch archäologischer Funde für die Rassenkunde sowie das historische Fortleben von Altertümern in Alltagspraktiken jenseits des Museums.

Dr. Brusius beschäftigt sich seit über zehn Jahren, bereits bevor das Thema breit diskutiert wurde, mit der „Reise“ von Museumsobjekten. Dabei lenkt sie den Fokus auf die weniger offensichtlichen Fragen und untersucht „Zwischenräume“, zum Beispiel was zwischen einer Ausgrabung und einer Ausstellung der Objekte im Museum passiert. 

Als Mitbegründerin des Graswurzel-Projektes “100 Histories of 100 Worlds in 1 Object“ vereint Dr. Brusius wissenschaftliche Forschung mit kuratorischer Praxis, um einen gleichberechtigten Dialog zwischen westlichen Museen und den Herkunftsländern zu fördern. Das Projekt begann ursprünglich als alternative Geschichte des British Museums. Durch die Zusammenarbeit mit Partnerinnen und Partnern aus dem globalen Süden entwickelte sich daraus ein globales Netzwerk, welches aktuelle Debatten zur Restitution und Dekolonisation bereichern will, indem es unterrepräsentierte Stimmen in den Vordergrund rückt. 

Nach einem Studium der Kunstgeschichte, Kulturwissenschaft und Musikwissenschaft in Berlin, Frankfurt/Oder und Paris und einer Promotion in Wissenschaftsgeschichte an der University of Cambridge erhielt Dr. Brusius unter anderem Postgraduiertenstipendien am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, der Harvard University, der University of Oxford und dem Kunsthistorischen Institut in Florenz (MPI). Sie war Stipendiatin der Andrew W. Mellon Foundation und der Fulbright Foundation und ist Mitglied der Global Young Academy sowie Fellow der Royal Historical Society. Sie publizierte zahlreiche Artikel in Peer-Review Zeitschriften und trägt regelmäßig zu öffentlichen Debatten im Bereich Museen und Erinnerungskultur in Großbritannien und Deutschland bei.

Ihr jüngstes Buch über den Erfinder der Fotografie William Henry Fox Talbot, „The Absence of Photography. W.H.F. Talbot, Empire, Science, and the Antique” wird demnächst bei The University of Chicago Press erscheinen. Derzeit arbeitet sie an einem Buch über den Transfer von antiken Artefakten aus Nahost (Oxford University Press) sowie an einer kurzen Monografie zur Politik des Museumsdepots. 

In Einklang mit ihren Forschungsinteressen wird Dr. Brusius ihren Preis für die Entwicklung einer stärkeren Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem globalen Süden einsetzen, die im westlichen historischen Diskurs und in Museen marginalisiert sind. Ein Teil des Preises wird an kleinere Initiativen gestiftet, die sich auf Kulturerbe, historische (Foto)archive und jüdischen-arabischen Dialog im Nahen und Mittleren Osten konzentrieren. Diese Region steht seit langem im Forschungsfokus der Preisträgerin.

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„Wir sind stolz auf die Arbeit, die wir in den letzten zwei Jahrzehnten geleistet haben, indem wir bedeutende Durchbrüche in den Wissenschaften und den Geisteswissenschaften anerkannt haben", sagte Ariel David, Vorstandsmitglied der Dan David Foundation und Sohn des Preisstifters. „Aber wir leben in einer Welt, in der die Investitionen in die Geisteswissenschaften, insbesondere in die historischen Disziplinen, rückläufig sind, obwohl wir wissen, wie wichtig die Erforschung der Vergangenheit für das Verständnis der Gegenwart und die Gestaltung der Zukunft ist. Aus diesen Gründen haben wir beschlossen, unsere Ressourcen auf diesen Bereich zu konzentrieren und dazu beizutragen, die nächste Generation von Wissenschaftlern zu fördern."

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Die Max Weber Stiftung – Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland fördert die Forschung mit Schwerpunkten auf den Gebieten der Geschichts-, Kultur-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in ausgewählten Ländern und damit das gegenseitige Verständnis. Sie unterhält weltweit elf Institute sowie weitere Forschungsgruppen und Büros. Durch eine unmittelbare Nähe zu den Forschungsgegenständen und im Austausch unterschiedlicher Perspektiven und Herangehensweisen bietet die Max Weber Stiftung beste Voraussetzungen für exzellente geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung. 

Das Deutsche Historische Institut London gehört zur Max Weber Stiftung. Es fördert wissenschaftliche Forschung zur Geschichte Großbritanniens, zur Geschichte des Britischen Empires und Commonwealth, zur Geschichte des deutsch-britischen Verhältnisses sowie zur vergleichenden europäischen Geschichte. Es ist Zentrum für deutsche Geschichte in Großbritannien und Anlaufstelle für deutsche Historikerinnen und Historiker, die in britischen Archiven und Bibliotheken arbeiten.

    

Weitere Informationen und Kontakt

Kim König
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Historisches Institut London
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