Herauszufinden, woher Objekte stammen, die wir als Besucher*innen in einer Vitrine sehen, und welche verschlungenen Wege sie vielleicht genommen haben, gehört in das Metier der Provenienzforschung. Durch sie werden Objektgeschichten greifbarer. Dies ist umso wichtiger, wenn das Kulturgut NS-verfolgungsbedingt den früheren Besitzerinnen und Besitzern widerrechtlich entzogen wurde. Gleiches lässt sich aber auch für andere Kontexte, wie z. B. den kolonialen, festhalten. Und gerade westliche Museen, und bei Weitem nicht nur die Europas, sind derzeit intensiv damit befasst und aufgefordert, mehr Transparenz über die Inhalte ihrer Sammlungen und den Umgang damit zu schaffen.
Der in diesen Tagen zu Ende gehende Austausch deutscher und amerikanischer Provenienzforscher*innen (German/American Provenance Research Exchange Program, kurz: PREP) findet vom 24. bis 26. Oktober unter anderem am DHI Washington, einem der zehn Auslandsinstitute der Max Weber Stiftung, statt. Maßgeblich mit Mitteln der deutschen Bundesregierung gefördert, hat PREP drei Jahre lang die Netzwerke zwischen Expert*innen beider Länder gefestigt, deren Austausch gefördert und die Provenienzforschung als solche gestärkt. Der inhaltliche Fokus lag dabei auf Kulturgut, das während der NS-Zeit geraubt wurde.
Die Verschränkung unterschiedlicher Perspektiven auf den Raub von Kulturgut und die Erweiterung des Blicks über den Nationalsozialismus hinaus auf koloniale Kontexte war dem DHI Washington als Gastgeber und Organisator der Podiumsdiskussion am 26. Oktober wichtig. Die am DHI stattfindende Diskussion „Von den Objekten lernen: Deutsche und amerikanische Perspektiven auf Provenienzforschung zu kolonialen und nationalsozialistischen Herrschaftskontexten“ bringt ausgewiesene Expert*innen beider Themenbereiche zusammen. Reflektieren werden die Teilnehmer*innen dabei die derzeit in Deutschland, in Europa, aber auch in Amerika immer stärker geführte Debatte um „koloniale Objekte“, die jüngst erneut in der Forderung nach Öffnung der Inventarlisten öffentlicher Museen kulminierte. „Es ist wichtig, diese politisch kontrovers diskutierten Fragen in ihrer historischen Tiefe auszuloten und dabei bereits bestehende Forschungen zu NS-Raubgut in Museen mit jener zu den Objekten kolonialer Herkunft in Konversation zu bringen. Dies scheint uns als Institut äußerst fruchtbar, wie Konferenzen und Forschungen hier am Haus bereits gezeigt haben. Wir freuen uns daher sehr, diese und andere Fragen aus der weitreichenden Debatte mit unseren Gästen und dem Publikum, das aus PREP-Teilnehmer*innen und einer interessierten Öffentlichkeit besteht, zu diskutieren. Die Nachfrage ist enorm, was sich auch daran ablesen lässt, dass die Veranstaltung bereits seit einer Woche ausgebucht ist“, so die Direktorin des DHI Washington, Prof. Dr. Simone Lässig.
Inwiefern Kulturgüter und ihre je eigene „Migrationsgeschichte“ dazu beitragen können, unser Wissen über und die Erinnerung an alle, auch eher dunkle Kapitel der Geschichte und asymmetrische Formen historischer Verflechtung zu erschließen, welche Aufgabe Historiker*innen und Provenienzforscher*innen dabei zukommt und welche Schlussfolgerungen aus der bereits weitgediehenen Forschung zu NS-Raubgut für koloniale Kontexte und umgekehrt gezogen werden können, darüber diskutieren: Raphael Gross (Deutsches Historisches Museum, Berlin), Glenn Penny (University of Iowa), Hilke Thode-Arora (Museum der Fünf Kontinente, München; 2018 PREP-Gastsprecherin), Mirjam Brusius (DHI London), Christine Kreamer (National Museum of African Art, Smithsonian Institution), moderiert von Irene Bald Romano (University of Arizona; 2018 PREP-Teilnehmerin) und Anna-Carolin Augustin (DHI Washington).
Weitere Informationen und Kontakt:
Dr. Nora Hilgert
Head of Strategy & Communications
German Historical Institute
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