„Eine aus Fremden zusammengeflickte Stadt, wo ein jeder lebt wie bei sich zuhause“ – das ist das Bild, welches Michel de Montaigne 1580 von Rom entwarf. Seit der Renaissance reisten neben Pilgern zunehmend auch Händler und Bankiers, Künstler und Gelehrte, Kirchenmänner und Diplomaten in die Hauptstadt des Christentums. Um sich fern ihrer Heimat gegenseitige Unterstützung zu bieten, schlossen sich die in Rom lebenden Fremden gleicher Herkunft zu Bruderschaften zusammen und gründeten Hospize, Oratorien und Kirchen. Die repräsentativsten der rund fünfzig Nationalkirchen in Rom entstanden zwischen 1450 und 1650 und bildeten in jener Zeit einen Mikrokosmos der christlichen Welt.
Im Zentrum der Tagung soll das Thema der Identitätsbildung stehen. Zu fragen ist, über welche einigenden Elemente – so beispielsweise Sprache, Kult, Brauchtum – die einzelnen im frühneuzeitlichen Rom präsenten nationes sich definierten und wie diese Elemente in der visuellen Kultur Niederschlag fanden. Folgende Themenfelder sollen dabei verstärkt in Augenschein genommen werden:
1) Kunst und Architektur: Inwiefern waren die Nationalkirchen und ihre künstlerische Ausstattung Ausdrucksträger kultureller Identität? Welche semantischen Formeln wurden zur repräsentativen Darstellung der verschiedenen Gemeinschaften oder ihrer Mitglieder verwendet? Wie interagierten aus dem Herkunftsland importierte und lokale künstlerische Phänomene miteinander?
2) Kult und Liturgie: Welche Besonderheiten wiesen die einzelnen nationes bei der Ausübung des christlichen Kultes auf? Inwiefern trugen Musik, Sprache, Liturgie, Kostüme und ephemere Erzeugnisse zum gemeinschaftlichen religiösen Erleben einerseits und zur repräsentativen Selbstinszenierung der Institutionen andererseits bei?
3) Institutionelle Aspekte: Wodurch zeichneten sich die nationes in institutioneller Hinsicht aus? Wie waren sie strukturiert (Bruderschaft, Konsulat, Kapitel etc.), und wie gestaltete sich in ihnen das Verhältnis zwischen Laien und Klerikern? In welcher Beziehung standen die Gemeinschaften und ihre Mitglieder zu den anderen politischen und kirchlichen Institutionen Roms, aber auch denjenigen ihres Ursprungslandes? Wo waren sie im städtischen Raum verortet, und was bedeutete dies für ihre Repräsentationsstrategien?
Wissenschaftliche Koordination:
Dr. Susanne Kubersky-Piredda (Bibliotheca Hertziana, Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte, Rom)
PD Dr. Alexander Koller (Deutsches Historisches Institut in Rom).
Skizzen für Vorträge zum Tagungsthema im Umfang von max. 2500 Zeichen werden bis zum 30. November 2012 erbeten an minerva(at)biblhertz.it.
Weitere Informationen unter www.biblhertz.it/forschung/forschungsprojekte-des-instituts/minerva-forschungsgruppe/.