Nachhaltiger Konsum in Japan

Dr. Markus Heckel

Nachhaltigkeit und Resilienz sind in aller Munde, vor allem seitdem die von den Vereinten Nationen 2016 ins Leben gerufenen Ziele für nachhaltige Entwicklung Eingang in die Politik und Unternehmenskultur gefunden haben. Markus Heckel vom Deutschen Institut für Japanstudien (DIJ) untersucht in seinem Forschungsprojekt nachhaltigen Konsum in Japan, einschließlich der Marketingstrategien japanischer Unternehmen.


Seit Oktober 2022 gibt es am DIJ ein neues Forschungsfeld zu „Nachhaltigkeit und Resilienz“, dessen Leitung ich übernommen habe. Dieses Forschungsfeld beinhaltet verschiedenste Themen, unter denen analysiert wird, wie gesellschaftliche und wirtschaftliche Akteure mit Risiken und Chancen umgehen. Beispiele sind Psychosoziale Betreuungsmethoden von Bürgerinitiativen und Freiwilligenorganisationen in ländlichen Gegenden in Japan (Isaac Gagne), Regionalfragen auf der Bühne – Sozial engagiertes und Applied Theater in Japans Regionen (Barbara Geilhorn), Handlungen der Resilienz ergänzen: Die Auswirkungen des demographischen Wandels auf kommunale Aktivitäten und zivilgesellschaftliches Engagement (Sebastian Polak-Rottmann), The Sociology of Pets in Contemporary Japan (Barbara Holthus) und The Political Economy of Carbon Pricing and Green Finance (Franz Waldenberger und Markus Heckel).

Bedingt durch aktuelle Krisen wie die globale Covid-19-Pandemie und die jüngsten geopolitischen Herausforderungen sind Nachhaltigkeit und Resilienz zwei neue Schlagworte, die in den Medien, auf politischen Plattformen, in Unternehmensslogans und kommerziellen Produkten häufig Verwendung finden. Das verwandte Stichwort „SDG“ (Sustainable Development Goals (dt. „Ziele für nachhaltige Entwicklung“)) der Vereinten Nationen ist ein weiteres wichtiges Thema, das aus politischen und akademischen Diskussionen nicht mehr wegzudenken ist.

Nachhaltiger Konsum in Japan

Im Rahmen des oben genannten Forschungsfeldes am DIJ beschäftige ich mich mit nachhaltigem Konsum in Japan. Privater Konsum macht einen erheblichen Teil der weltweiten Treibhausgasemissionen aus und wird von Faktoren beeinflusst, die direkt mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern zusammenhängen, wie persönliche Werte und Einstellungen. Er wird aber auch durch die Art der Produkte und Dienstleistungen beeinflusst, die Unternehmen anbieten, sowie durch die Art und Weise, wie diese ihr Marketing betreiben. Unser Ziel ist es, Barrieren zu identifizieren, die Unternehmen daran hindern, nachhaltige Produkte und Dienstleistungen in Japan zu vermarkten, und auch darauf hinzuarbeiten, erste Ideen zur Überwindung dieser Barrieren zu entwickeln. In diesem Forschungsprojekt verbinden sich somit ökonomische und kulturelle Analysen.

Lebensmittelverschwendung

Internationale Daten zur Verschwendung von Nahrungsmitteln zeigen, dass Japan keine Ausnahme darstellt, sondern dass es sich dabei um ein weltweites Problem handelt. Die Verringerung von Lebensmittelverlusten und -abfällen ist ein Ziel der 17 SDGs der Vereinten Nationen (zu finden unter dem SDG mit der Nummer 12, das „verantwortungsvollen Konsum und Produktion“ definiert). Die japanische Regierung hat die Verringerung von Lebensmittelverlusten und -abfällen zu einer zentralen Herausforderung erklärt und Initiativen für eine kohlenstoffneutrale Wirtschaft ins Leben gerufen.

Nachhaltiger Konsum in der japanischen Kultur

Um mein Forschungsvorhaben zu nachhaltigem Konsum umzusetzen, ist es wichtig, die japanische Kultur zu verstehen. In Japan gibt es verschiedene Konzepte, die sich mit dem Thema Verschwendung auseinandersetzen. Zum einen gibt es den Begriff mottainai, der aus dem Buddhismus stammt und im Englischen mit „what a waste“ (dt. „was für eine Verschwendung“) übersetzt werden kann. Die Verwendung des Begriffs mottainai kann aber auch so weit ausgedehnt werden, dass sie als Slogan für den Umweltschutz dient. Ein Beispiel für mottainai ist die Vermeidung von Plastiktüten, die in Japan – wenn auch verspätet – immer mehr Zuspruch findet und gezielt durch Kampagnen unterstützt wird.

Eine der jüngsten Initiativen zur Verringerung von Lebensmittelverschwendung nennt sich temaedori (dt. „von vorne (temae) nehmen (toru)“).

Diese soll Kundinnen und Kunden beispielsweise in Supermärkten auffordern, Produkte aus der ersten Reihe der Regale zu kaufen, anstatt diese aus den hintersten Reihen zu nehmen und verfolgt somit das Ziel, Produkte mit kürzerem Haltbarkeitsdatum vor der Entsorgung zu bewahren. Temaedori wurde im Jahr 2021 gemeinsam vom Ministerium für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei, dem Umweltministerium, der Agentur für Verbraucherangelegenheiten und dem japanischen Franchiseverband eingeführt und ist so beliebt, dass es als eines der zehn populärsten Wörter bei Japans 2022 New Words and Buzzwords Awards ausgewählt wurde.

Eine weitere Initiative ist chisan-chisho, was so viel wie „lokal produziert, lokal konsumiert“ bedeutet. Die chisan-chisho-Bewegung entstand bereits in den 1990er Jahren als Reaktion auf das Versagen des modernen Lebensmittelsystems in Japan und setzt sich seither für den Verzehr von lokal erzeugten Lebensmitteln ein, wobei diese Initiative gerade in den letzten Jahren ein gewisses Revival erlebte. Es ist jedoch zu befürchten, dass lokale Regierungen und Großbauernorganisationen das chisan-chisho-Konzept zunehmend als bloßen Marketingslogan missbrauchen.  

Im Rahmen von Interviews mit japanischen Unternehmen versuchen wir herauszufinden, welche Strategien die Unternehmen anwenden, um vermehrt nachhaltige Produkte anzubieten und Müll zu vermeiden sowie welche Rolle (vor allem junge) Konsumentinnen und Konsumenten dabei spielen. Außerdem untersuchen wir mithilfe von Medienanalysen, welche Akteure besonders wichtig sind, um Nachhaltigkeit erfolgreich umzusetzen.

Interesse an unserer Forschung? Ein Überblick über unsere Forschungsschwerpunkte und Einzelprojekte findet sich hier.


Bildnachweis Titelbild: Papier umweltfreundliches Einweggeschirr mit Recyclingschildern auf dem Hintergrund von Grünpflanzen. © Nikita Burdenkov, iStock by Getty Images.

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