Call for Papers: Les Secrets de la Peinture: Zu Praxis und Theorie von Malfarbe, Manier und Materialität in der Kunst des französischen 18. Jahrhunderts (DFK Paris)

Bewerbungsschluss: 15.09.2023

Internationales Kolloquium, 07.–08.12.2023, Deutsches Forum für Kunstgeschichte Paris

Deborah Schlauch M.A. (Philipps-Universität Marburg / Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel)
Marie Isabell Wetcholowsky M.A. (Universität Marburg)
Dr. Markus A. Castor (Deutsches Forum für Kunstgeschichte Paris)

Si l’éloquence, et surtout la poésie, […], ces deux muses ont besoin des mots, des sons et des articulations qui conviennent le plus parfaitement à ce qu’elles veulent exprimer, combien plus la peinture, qui n’a pour elle qu’un instant, doit-elle avoir attention à choisir les couleurs générales et particulières qui concourent à la réussite de son entreprise ?

De l’harmonie et de la couleur,
comte de Caylus, Amateur

Im obenstehenden Zitat aus der Conférence, die der comte de Caylus im November 1747 an der Académie Royale de Peinture et de Sculpture gehalten hatte, stellte der Amateur die Farbe als eine der wesentlichen Bedingung der Harmonie des Bildes heraus und ordnete sie doch zugleich dem Clair-Obscur unter. Zugleich evoziert er eine Korrelation von Farbe und Sprache, die weit mehr ist als Referenz auf den Paragone, der einst initial für die Gründung der Akademie war. Die Auseinandersetzung findet sich damit in einer Diskussion wieder, die zwischen naturwissenschaftlichen Implikationen (Isaac Newton), kunstpraktischen Belangen, technisch-chemischen Voraussetzungen und kunstgeschichtlichen Kriterien das Phänomen der Farben zu übersetzen versucht. Dabei verzichtet er mit seiner Favorisierung Correggios gegenüber Tizian und bei aller Antikenreferenz (Plinius) nicht darauf, auf Malfarbe und Materialität (Pigmente wie Orpin oder Bleu Outremer) der Werke ebenso einzugehen wie auf die „teintes“ und deren Proportionierung im Bild. Farbe wird zum Distinktionsmerkmal für den Connaisseur, dem von Schulen und Epochen, künstlerischer Manieren und sieht sich grundsätzlich mit einer Vielgestalt streitbarer Dispute, weit über die sogenannte Querelle du coloris hinaus, konfrontiert.

Die hier beispielhaft und in eloquenter Verschränkung vorliegenden Aspekte einer Diskussion zur Farbe wollen wir im Blick auf ihre Terminologien, ihren Sprachgebrauch und die Argumentationen nachvollziehen. Als Spracharbeit am Werk werden die ikonografisch, farbtheoretisch oder historisch anthropologisch interpretierbaren Diskurse, etwa bei Roger De Piles, Jean-Baptiste Dubos, Louis-Bertrand Castel, Antoine Coypel, Comte de Caylus, Jacques Gautier d’Agoty oder Denis Diderot nur im Rückbezug auf ihre Gegenstände und deren materielle Verfasstheit verständlich.

Doch methodisch und kunsthistoriografisch verkompliziert sich die Sachlage. Man kann die Hinwendung zur Materialität, den sogenannten Material Turn in die Dialektik einschreiben, die nach den Jahrzehnten eines theoriebildenden Fokus der Kunstgeschichte eine Rückbesinnung auf die Werke als Artefakte und ihre materiell verstandene Ontologie bewirkt hat. Dies liegt auch an der, maßgeblich von Bruno Latour beförderten Erkenntnis, dass den oftmals solchen Turns inhärente Positionen ideologische Momente eingeschrieben sind. Die neuerliche Zuwendung zur Empirie bleibt jedoch selbst – oft mit metaphorischer Nomenklatur um die Begriffe von Anthropologie (Daniel Miller) und Archäologie – einem wiederum epistemologischen Konzept unterstellt. Im Kontext eines bildwissenschaftlichen Framings und mit der Nähe zur Praxeologie (practical turn) ändert sich bisweilen nur das Theoriedesign. Gefragt wird dabei etwa danach, wie Wissen in kulturell geschaffenen und verwendeten Objekten oder Dingen zum Ausdruck gelangt und darüber wirkt. Was lässt sich anhand der Artefakte über eine Gesellschaft, Kultur oder ihre Geschichte aussagen?

Vor dem Hintergrund solcher sprachbasierter Vereinnahmungen ist es die Absicht des Kolloquiums die Fragerichtung nach der „materiellen Kultur“ unter Berücksichtigung der Historizität von Sprache umzukehren, denn die Interpretationen des Materiellen finden unmittelbar mit dem Entstehen des so und nicht anders Gestalteten statt. Wie wirken Gesellschaft und Kultur auf die Gestaltung ihrer Objekte? Beiden Perspektiven kommt gleichwohl eine Berechtigung zu, ihre Gleichzeitigkeit und ihr Nebeneinander verweisen auf oft übersehene Tautologien, wie sie etwa von François Fénélon bis zu Immanuel Kants Antinomien der reinen Vernunft beschrieben worden sind.

Das Kolloquium versucht einen ersten Schritt zu einem Reset einer empirischen Perspektive im Blick auf die Malerei als spezifische materielle Überlieferung der bildenden Kunst am Beispiel der französischen Malerei des 18. Jahrhunderts. Wo sonst könnte man Erkenntnisse über die Konnotationen des Materiellen konzentrierter und reflektierter erwarten, wenn nicht in den Diskussionen des Jahrhunderts der Aufklärung am Vorabend einer Kunstgeschichte als Wissenschaft.

Was lässt also die Malerei als technisch-künstlerische Arbeit an berechtigten Aussagen über die kunstsoziologischen Bedingungen zu, und was sagt die theoretische Reflexion kunstkritischer Zeugnisse (Salons, Akademiekonferenzen, Traktate) über die Peinture der Bilder, das Fecit aus? Die dem Kanon aristokratischer Normen entsprechende Ausbildung des Connoisseurship, der Discours zur Künstler/-innenausbildung und einer erwachenden Kunstkritik, diesem steht die Praxis an Akademien und Ateliers gegenüber. In solcherlei Rückkopplungssystem, mit einer inkrementellen Vermehrung technischer Bildverfahren im Laufe des Jahrhunderts (Enkaustik, Pastell, farbige druckgrafische Verfahren) und einem sich verschiebenden Kunstmarkt entwickelt sich ein genauer Blick auf die Arbeit des Pinsels und eine die „handwerklichen“ Kapazitäten beschreibende Terminologie. Dies kommt nicht zuletzt in einer autorepräsentativen Malerei zum Ausdruck, welche die wesentliche Leistung der gemalten Produktion, häufig in Selbstporträts oder allegorischen Selbstdarstellungen, in den Fokus stellt.

Das Kolloquium will diesen Zusammenhängen in Einzelstudien und einer Konzentration auf die Werke unter drei wesentlichen Aspekten nachgehen:

  1.  Praxis des Bildes, Praxis des Wortes: beschreibende Analysen ausgewählter Beispiele als Methode (Ekphrasis der Farbe, Kennerschaft, Kunstgeschichte)

  2.  Theorie: Peinture zwischen Künstler/-innenreflexion und Kunstkritik (der akademische Diskurs und die Kunstkritik)

  3.  Mit Délicatesse und Sprezzatura: Nomenklaturen und die Poësis der Bildbeschreibung

Wir verstehen das Vorhaben als hermeneutische Positionierung und Klärung, wenn es um praktische und theoretische Implikationen zur materiellen Überlieferung der Kunst und deren Beschreibung geht. Die von der Kunstgeschichte akkumulierten Kenntnisse und Fertigkeiten, die die Beobachtung materieller Herstellung ihrer Werke und deren Übersetzung betreffen, sieht sich einer schnellen Folge von Turns und neuen Fragestellungen gegenüber, die bisweilen von den Werken wegführen. Fragen wir nach der Sprache, die Stil, Manier, Technik und Pinselstrich zum Zeitpunkt der Entstehung zu fassen trachtet, dann macht eine hermeneutische Klärung weit vor Giovanni Morellis vergleichender Bildmedizin und einer Kategorisierung der Observanz a posteriori Sinn. Im 18. Jahrhundert formiert sich das Instrumentarium einer Protokunstgeschichte, die spezifisch sprachlich daherkommt. Gefragt wird nach diesem sprachbasierten Erkenntnisinstrumentarium, welches unter Einschluss des Blicks auf Malfarbe, Malmittel, Lasuren und Rezepte, auf gestische Arbeit und Manier, das Zusammen von Auge und Hand als Teil der Kunstgeschichte, zwischen Wissen um die Produktion ihrer Bildwerke und Gegenstand kunsttheoretischer Reflexion, erfahren lassen.

Themenvorschläge (max. 3000 Zeichen) zu jeweils 30-minütigen Vorträgen sind bis zum 15. September 2023 an folgende Mailadresse zu richten: kolloquium(at)dfk-paris.org
Vorträge können in deutscher, englischer oder französischer Sprache gehalten werden.