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Den Frieden schreiben – die Edition der französischen Korrespondenzen zum Westfälischen Frieden (Acta Pacis Westphalicae, Mai–Oktober 1648)

Dr. Albert Schirrmeister

In historisch-kritischer Edition enthalten die „Acta Pacis Westphalicae“ (APW) die wichtigsten Akten und Urkunden des Westfälischen Friedenskongresses. Doch ausgerechnet die französischen Korrespondenzen aus dem Zeitraum von Mai bis Oktober 1648 wurden bislang nicht ediert. Albert Schirrmeister vom DHI Paris schließt diese Lücke mit seiner Arbeit, die einen Einblick in die letzten, ereignisreichen Verhandlungsmonate vor dem Friedensschluss am 24. Oktober 1648 ermöglicht.


Der Dreißigjährige Krieg, der mit dem Prager Fenstersturz im Jahr 1618 begann, fand mit dem Westfälischen Frieden vom 24. Oktober 1648 in Münster und Osnabrück sein Ende. Allerdings wurde der Frieden keineswegs an einem einzigen Tag vereinbart, der Kongress erstreckte sich vielmehr über vier Jahre.

Der neunte Band der französischen Korrespondenzen zum Westfälischen Frieden

Meine Edition ist ein Kooperationsprojekt mit dem Zentrum für Historische Friedensforschung der Universität Bonn und widmet sich dem Westfälischen Friedenskongress. Sie wird der (historischen) Forschung jene 220 Briefe zur Verfügung stellen, die von Mai bis Oktober 1648 zwischen dem Pariser Hof und den in Münster und Osnabrück verhandelnden Diplomaten gewechselt wurden – dies waren Abel Servien als Gesandter in Münster und Henri Groulart Seigneur de la Court, Resident in Osnabrück für die Verhandlungen mit den protestantischen Mächten.

Wer hätte vor zwei Jahren damit gerechnet, dass ein solches Editionsprojekt zur frühneuzeitlichen diplomatischen Korrespondenz eines Friedenskongresses diese politische Aktualität erhält? Denn seit dem 25. Februar 2022 verfolgen wir den Krieg Russlands gegen die Ukraine. Doch von Friedensverhandlungen kann hier noch lange nicht die Rede sein.

Die Edition gehört als neunter Band der französischen Korrespondenz zu dem großen Editionsprojekt der Acta Pacis Westphalicae. Dessen Ausgangspunkt war im Jahr 1957 die Hoffnung, aus den mehr als 300 Jahre zuvor geführten Verhandlungen der europäischen Mächte auch für das 20. Jahrhundert Lehren dahingehend ziehen zu können, wie sich auf internationaler Ebene Frieden schließen lässt.

Die Friedensverhandlungen

Wie nahmen sich die Akteure gegenseitig wahr? Wie konnten sie Kriegsgegner und Verhandlungspartner zugleich sein? Welche Themen prägten, bremsten und beschleunigten die Verhandlungen? Fragen dieser Art lassen sich erst mit Hilfe der Edition beantworten.

Die fundamentalen Unterschiede des Jahres 1648 zum Krieg Russlands gegen die Ukraine springen sofort ins Auge: Bis die Parteien 1644/45 in Westfalen zusammenfanden, hatte es einige vergebliche Friedensinitiativen gegeben – damals wie heute müssen erst einmal die Voraussetzungen für Friedensverhandlungen geschaffen werden. Damals waren es viele Mächte in einem in vielen Ländern zugleich geführten Krieg, die miteinander verhandeln wollten. Das Kriegsziel bestand für keine der Konfliktparteien darin, die staatliche Einheit eines der Kriegsgegner zu zerstören – im Gegenteil bedeutete ein Separatfrieden Anfang des Jahres 1648 zwischen Spanien und den Vereinten Niederlanden für diese eine erste Anerkennung ihrer Souveränität; die Schweizer Eidgenossenschaft erreichte es, ihre Eigenständigkeit vom Heiligen Römischen Reich im Westfälischen Frieden festzuschreiben.

In Süddeutschland, Flandern, Katalonien und Italien ging der Krieg während der Verhandlungen weiter und die militärischen Ereignisse spielten auch bei den Verhandlungen eine Rolle, wenn die Nachrichten mit einiger Verspätung in Münster eintrafen: So war zum Beispiel die vernichtende Niederlage der bayerisch-kaiserlichen Truppen gegen die französischen und schwedischen Armeen am 17. Mai 1648 in Zusmarshausen bei Augsburg ein Ereignis, das ab dem 27. Mai die Verhandelnden in Aufregung versetzte.

Die Briefwechsel zwischen Westfalen und dem Pariser Hof und ihr historischer Erkenntniswert

Wie in den Briefen erkennbar wird, führte die bayerisch-kaiserliche Niederlage zu veränderten Verhandlungspositionen, auf die die französischen Diplomaten gehofft hatten: Noch am Abend des Eintreffens der Nachrichten wechselten sie Briefe zwischen Osnabrück und Münster, um sich gegenseitig zu informieren und über mögliche Konsequenzen nachzudenken. Denn der leitende Minister Mazarin formulierte keine simplen politischen Direktive für die Diplomaten in Westfalen. Die Briefe waren vielmehr der Ort, an dem alle Beteiligten, also auch Henri-Auguste de Loménie, Comte de Brienne (secrétaire d’État aux affaires étrangères (Außenminister)) und Hugues de Lionne (conseiller d’État (Staatsrat), Sekretär Mazarins und Neffe Serviens), Überlegungen zur Politik, zu den Verhandlungszielen und zu den Verfahrensweisen anstellten. Das macht die Korrespondenz für die Forschung so vielseitig nutzbar und in ihrem Quellenwert unersetzlich: Nur in dem zwischen Westfalen und Paris stattgefundenen Briefwechsel lassen sich die Aushandlungsprozesse der Akteure und der Handlungsspielraum der Gesandten so präzise beobachten, besonders, wenn man den gesamten Briefwechsel von 1644 bis 1648 mit seinen nahezu 2.500 teilweise sehr langen Briefen betrachtet.

Die Quellen gewähren uns außerdem auch andere Erkenntnisse als ursprünglich erwartet: Die Weiträumigkeit der Konflikte wird sichtbar in Briefen, die auf Auseinandersetzungen in Brasilien anspielen und den Handel mit Japan thematisieren. Solche Themen zeigen, wie sehr kurz- und langfristige Überlegungen der französischen Politik miteinander verwoben waren. Im Jahr 1648 ist die französische Politik allerdings geprägt vom „protorevolutionären“ Konflikt der Fronde, die – genau wie die Volksaufstände in Neapel – als Revolution bezeichnet wurde. Damit bekam dieses Wort noch vor der Hinrichtung des englischen Königs im Jahr 1649 einen neuen Klang.

Abel Servien und der Seigneur de la Court schrieben in den Briefen auch über ihre Ängste und Sorgen um einen möglichen Ruin ihrer Familien während des kostspieligen und jahrelangen Aufenthaltes in Westfalen: Wir gewinnen dadurch anschauliche und aufschlussreiche Einblicke in die Lebenswelten besonders der Aristokratie und der höfischen Gesellschaft Frankreichs.

Friedensschluss und damit verbundene Hoffnungen

Das Editionsvorhaben bringt die vor 60 Jahren begonnene Unternehmung der APW entscheidend voran. Und auch Abel Servien war am 25. Oktober 1648 zuversichtlich: Schließlich konnte er erleichtert nach Paris berichten, dass der Frieden zwischen Schweden, Frankreich, Reich und Kaiser von allen Parteien unterschrieben worden war – und dass er die Hoffnung hegte, dass auch der noch fehlende Frieden mit Spanien nicht mehr lange auf sich warten ließe. Doch Erwartungen und Hoffnungen sind spekulativ; alle in die Zukunft gerichteten Überlegungen und Kalkulationen sind unsicher – auch dies lässt sich an der Korrespondenz beobachten. Die Geschichte ging schließlich doch anders weiter: Erst im Jahr 1659 schlossen Frankreich und Spanien den sogenannten „Pyrenäenfrieden“, bis dahin blieben die beiden stärksten Mächte des europäischen Kontinents im Kriegszustand.


Bildnachweis Header: Jubiläumsbriefmarke, 350 Jahre Westfälischer Friede (1648), Erstausgabe 12.03.1998, Bonn © Jubiläumsbrief von 1998 frankiert mit Jubiläumsbriefmarke, Zentrum für Historische Friedensforschung (ZHF) der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

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