DHI Paris
Als Historiker des späten Mittelalters arbeite ich vor allem zur höfischen Kultur und adligen Gesellschaft im westlichen Europa. Dabei stehen Formen der Vergesellschaftung und der Kommunikation im Fokus, die zentraler Bestandteil der politischen Kultur sind. Anhand spätmittelalterlicher Astrologen erforsche ich zudem die Rolle gelehrten Wissens. Darüber hinaus interessiere ich mich für Weltbildkonstruktionen des Mittelalters und deren Auswirkungen auf das Handeln. Davon ausgehend untersuche ich die Rezeption des Mittelalters in der Gegenwart, um dem Einsatz von Geschichte in aktuellen Diskursen nachzuspüren.
Die Untersuchung des europäischen Mittelalters kann helfen, gegenwärtige Haltungen und Wahrnehmungen kritisch zu hinterfragen und neu zu durchdenken – das Spektrum reicht dabei von der Bedeutung nationaler Grenzziehungen und Identitäten bis hin zum Umgang mit kulturellen Differenzen. Das Aufbrechen etablierter Mittelalterbilder eröffnet zudem den Blick auf vielgestaltige und mobile Gesellschaften, die durch weitreichende Prozesse kultureller Kontakte und Transfers charakterisiert sind. Wie in einem Labor lassen sich hier auch Fragen medialen Wandels untersuchen, wie sie in veränderter Form unsere Gegenwart charakterisieren.
Unter den zahlreichen Herausforderungen, die sich beim Blick auf ein ganzes Jahrtausend (und zugleich seiner Wahrnehmung in der Moderne) stellen, ragen für mich zwei besonders hervor: Zum einen wird das Erfassen der tatsächlichen Vielfalt immer wieder durch die Beschränkung der eigenen Kenntnisse limitiert – seien es Sprachkenntnisse oder die Vertrautheit mit Kulturen jenseits der eigenen Spezialisierung. Zum anderen ist die Spannung zwischen modernen Konstruktionen der Vergangenheit und Quellenbefunden stets neu auszutarieren. Beides lässt sich wohl am Besten in Teamarbeit bewältigen.
Prof. Dr. Klaus Oschema ist Direktor des Deutschen Historischen Instituts Paris (DHIP).