Am Ende des neunzehnten Jahrhunderts bildeten sich weltweit Migrations- und Ansiedlungspolitiken heraus, die im Kern noch heute Bestand haben. Jan Musekamp, stellvertretender Direktor am DHI Warschau, untersucht diese globalen Zusammenhänge anhand einer deutschsprachigen Gruppe aus der heutigen Ukraine, die sich im Baltikum, in Brasilien, Deutschland, Kanada und Sibirien ansiedelte.
Was hat ein Gemälde von einem fröhlichen Picknick mit sozialen Fragen am Übergang von der Neuzeit zur Moderne zu tun? In ihrem Habilitationsprojekt hat Elisabeth Fritz, stellvertretende Direktorin am DFK Paris, untersucht, wie man Bilder der Geselligkeit als Bilder von Gesellschaft verstehen kann.
Es ist eine weit verbreitete Annahme, dass Industrialisierungsprozesse im Globalen Süden den gleichen Weg einschlagen wie zuvor Länder im Globalen Norden. Doch was passiert, wenn sie das nicht tun? Oft wird dies als Widerstand lokaler Kulturen interpretiert – und gleichzeitig als Beweis dafür, dass diese Kulturen angeblich nicht mit der industriellen Moderne vereinbar seien. Christian Strümpell vom MWF Delhi hinterfragt diese eurozentrische Sichtweise und zeigt, wie vergleichende Fallstudien aus Südasien und Lateinamerika ein neues Verständnis von Industrialisierung eröffnen können.
Behinderungen gehören zur menschlichen Vielfalt und sind ein fester Bestandteil der Literatur. In Japan erfahren Behinderungen in letzter Zeit eine verstärkte Sichtbarkeit und spiegeln sich zunehmend in literarischen Werken wider. Carolin Fleischer-Heininger erforscht am DIJ Tokyo, wie die japanische Gegenwartsliteratur Behinderungen erzählt.
Zu Beginn der Kolonisierung standen die französischen Atlantikkolonien vor einem großen Problem: Aufgrund des eklatanten „Frauenmangels“ ließen sich zu wenige Siedler dauerhaft in den neu eroberten Gebieten nieder. Eva Seemann untersucht am Deutschen Historischen Institut Paris, wie die französische Krone dieser Entwicklung mit Heiratsprogrammen entgegenwirken wollte. Wie wurden die Anwerbung und der Transport von Frauen und Mädchen organisiert? Und welche Motive steckten hinter der staatlichen Bevölkerungspolitik?
Sozialistische Städte galten einst als Experimentierfelder für eine utopische Gesellschaft. Doch trotz der Bemühungen sozialistischer Regime und entgegen des ursprünglichen Ziels, gerechte Gesellschaften zu schaffen, wich die Realität häufig pragmatischen Interessen. Im Namen der Arbeitenden stand die Verbesserung des Lebensstandards und die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Fokus. Die dadurch entstehenden neuen Ungleichheiten untersucht Jaromír Mrňka an der Außenstelle des DHI Warschaus in Prag.
Gewalt, Trinkgelage, Demütigungen. Wer in den USA Teil von Hochschulgruppen werden möchte, muss sich oft extremen Riten unterwerfen. Die Hälfte aller US-Studierenden hat laut Umfragen das sogenannte Hazing erlebt, das nahezu jährlich Todesopfer fordert. Seit vielen Jahrzehnten versuchen Hochschulen durch Verbote – erfolglos – diese Praxis einzudämmen. Raphael Rössel vom Deutschen Historischen Institut Washington widmet sich in seiner Forschung der bisher eher unbekannten Frühgeschichte dieser Rituale.
Ist es möglich, die „Gesellschaft“ zu betrachten, ohne dass Vorurteile die Wahrnehmung verzerren? Bereits seit dem 19. Jahrhundert betreiben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Forschung unter der Prämisse der Objektivität. Auch in der Geschichte der Soziologie spielte sie als „epistemische Tugend“ eine wichtige Rolle. Mit der Frage, wie man ihr gerecht wird, beschäftigten sich zum Beispiel die sogenannten Mass Observer in Großbritannien (1937-1949). Das Ideal der Objektivität beeinflusste nicht nur ihre Forschungsmethoden, sondern auch ihren Habitus und ihre Lebenswelt, wie Ole Münch vom Deutschen Historischen Institut London in seiner Arbeit aufzeigt.
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