Damit beschäftige ich mich:
Im Mittelpunkt meiner Forschung steht die Analyse der Bibelzitate aus einem Korankommentar, der um die Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden ist. Der Autor, Ibrahim al-Biqai verteidigt diese für muslimische Gelehrte ungewöhnliche Vorgehensweise auch gegen die Einsprüche seiner Kollegen. Durch die angestrebte Zusammenschau aller Zitate ergibt sich ein Text, der die vier Evangelien des Neuen Testaments in eine kompakte und mit muslimischen Dogmen vereinbare Version überführt. Die Rekonstruktion der Vorgehensweise, die zu dieser Auswahl führt, ist der Hauptgegenstand meiner Arbeit.
Was reizt mich an meinem Forschungsfeld?
Es gibt zahlreiche Korankommentare, da der Koran die muslimischen Gelehrten seit Jahrhunderten inspiriert. Gilt doch sein Inhalt als göttliche Offenbarung und sein Stil als unnachahmlich. Zudem ist das Genre der Exegese auch heute sehr produktiv. Einen bislang kaum erforschten Kommentar aus dieser langen Tradition nun einem Leserkreis zugänglich zu machen, für den er gar nicht geschrieben wurde, aber sehr interessant und aufschlussreich sein kann, übt eine besondere Faszination auf mich aus.
Was ist die größte Herausforderung meiner Forschung?
Der Korankommentar von al-Biqai wurde vor mehr als fünfhundert Jahren in Ägypten geschrieben. Die Bezüge zur Bibel und der muslimische Umgang mit dem Christentum, der sich darin zeigt, weisen aber über diesen Kontext hinaus. Sie lassen sich nämlich sinnvoll auf manche europäische Debatte unserer Tage zum Verhältnis von Islam und Christentum beziehen. Hier gilt es geschichtliche Verortung und die Rekonstruktion der Entstehungsbedingungen einerseits und die möglichen Gegenwartsbezüge andererseits in ein Gleichgewicht zu bringen.
Institutionelle Zuordnung und Aufgabe:
Dr. Thomas Würtz ist stellvertretender Direktor am Orient Institut Beirut.
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