Promoviert habe ich zur Institutionalisierung der Mathematik als Wissenschaft im modernen Japan. Meine Forschung am Deutschen Institut für Japanstudien beschäftigt sich mit der digitalen Transformation in Japan. Zum einen verwende ich einen begriffsgeschichtlichen Zugang zum Diskurs über Daten, für den ich Methoden der Digital Humanities einsetze. Zum anderen betrachte ich Datenpraktiken aus dem Blickwinkel der Critical Data Studies, wobei mir mein Studienhintergrund in Mathematik und Informatik von großer Hilfe ist.

Digitaltechnologie ist zum einen alltäglich, zum anderen aber auch die wohl geopolitisch relevanteste Technologie der Gegenwart. Sie hat sogar enormen Einfluss darauf, in welcher Form über sie geredet werden kann, etwa durch Filterblasen in sozialen Netzwerken. Seit Beginn der Corona-Pandemie ist hinzugekommen, dass Daten bestimmen, wer am öffentlichen Leben teilhaben kann und wo er bzw. sie das tun darf. Mittels Perspektiven wie dem Überwachungskapitalismus und dem Datenkolonialismus lassen sich diese neuen Phänomene dennoch mit bekannten Entwicklungen in Verbindung bringen.

Die größte Herausforderung bei meiner Forschung ist, einen theoretischen Rahmen zu schaffen, der zum Verständnis der relevanten Entwicklungen – sowohl in Japan als auch global – angemessen ist. In der internationalen Fachliteratur ist Japan durch den eindrucksvollen Aufstieg Chinas analytisch weitgehend verdeckt geblieben. Einiges an diesem Aufmerksamkeitsgefälle steht mit Annahmen in Verbindung, die seit dem Ukrainekrieg hinfällig erscheinen, etwa die Hoffnung, dass wirtschaftliche Verflechtung notwendigerweise Stabilität mit sich bringt. Auch die Lage in Asien ist komplizierter, als viele es wahrhaben wollten.

Dr. phil. Harald Kümmerle, M.Sc., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Japanstudien. Er arbeitet im Forschungsschwerpunkt „Digitale Transformation“.