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DHI Paris

Jürgen Finger

Damit beschäftige ich mich:

Ich habe mich lange mit der Geschichte von Bildung und Verwaltung im „Dritten Reich“ beschäftigt, bevor ich die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte für mich entdeckt habe. Seitdem ich eine Studie über eine deutsche Unternehmerfamilie im NS geschrieben habe, interessiert mich das Thema ökonomische Moral und insbesondere die Frage, wie informelle Normen unser Alltagshandeln lenken. Das untersuche ich an Beispielen aus der französischen Geschichte am Übergang zum 20. Jahrhundert. Über meine eigenen Forschungsinteressen hinaus berate ich Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland und Frankreich und unterstütze sie bei der Vernetzung. Mit der von mir geleiteten Publikationsabteilung trägt das DHI Paris aktiv zum Wissenstransfer zwischen der deutschen, französischen und internationalen Forschung bei.

Was reizt mich an meinem Forschungsfeld?

Mich interessieren die tiefgreifenden und dynamischen Transformationsprozesse von Wirtschaft und Gesellschaft seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert, die bis heute nicht abgeschlossen sind. Wie hat der Kapitalismus unser Verständnis von Gesellschaft verändert, unsere moralische und kulturelle Ordnung? Was wussten die Zeitgenossen darüber, wie Wirtschaft funktioniert? Wie urteilten sie über diese Funktionsweisen und ihre Folgen? Welche Erwartungen hatten sie an die Zukunft in einer kapitalistischen Gesellschaft und wie versuchten sie an der ökonomischen Entwicklung zu partizipieren? Die hinter diesen Fragen liegenden moralischen Herausforderungen beschäftigen unsere Gesellschaften bis heute.

Was ist die größte Herausforderung meiner Forschung?

Die Quellen zum Sprechen zu bringen, ist bei meinem aktuellen Projekt sicherlich die größte Herausforderung. Mich interessiert ja nicht die Gesetzeslage in einem bestimmten Wirtschaftssektor, die Regulierung der französischen Weinproduktion oder der Konsumentenschutz. Mich interessieren informelle Regeln: Wie wurde in bestimmten Situationen über (un)angemessene Handlungsweisen gesprochen und welche moralischen Kategorien wurden von den Akteurinnen und Akteuren mobilisiert? Dazu muss man viel zwischen den Zeilen lesen und bei der Interpretation kreativ sein. Das ist eine Herausforderung und zugleich treibt sie mich an.

Institutionelle Zuordnung und Aufgabe:

Dr. Jürgen Finger leitet die Abteilung für Neuere und Neueste Geschichte sowie die Publikationsabteilung am Deutschen Historischen Institut Paris. Er ist Chefredakteur der Fachzeitschrift „Francia. Forschungen zur westeuropäischen Geschichte“. | Bild: © DHIP/Sébastien Borda

Beiträge aus dem Themenportal

Die Moral der Ökonomie. Moralische Normen im französischen Kapitalismus am Übergang zum 20. Jahrhundert

Moralische Kommunikation ist allgegenwärtig, auch in der Ökonomie. Jürgen Finger vom Deutschen Historischen Institut Paris untersucht unter anderem am Beispiel des marché de la coulisse, des „grauen Kapitalmarktes“ im Paris des 19. Jahrhunderts, wie Fragen von moralischer Ökonomie verhandelt wurden und inwieweit sich Moral als analytischer Begriff eignet.