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DHI London

Ole Münch

Damit beschäftige ich mich:

Mein Forschungsfeld ist die Migrations- und Wissensgeschichte der urbanen Moderne. Deshalb fasziniert mich das viktorianische Großbritannien, das urbanste und in vieler Hinsicht modernste Land seiner Zeit. Als Mikrohistoriker beschäftige ich mich besonders gerne mit der Frage, wie sich das konkrete Zusammenleben in den neuen großstädtischen Räumen gestaltete. In meinem neuen Projekt springe ich wiederum in die Zwischenkriegszeit: Es geht um Soziologinnen und Soziologen, die ebenfalls von der urbanen Gesellschaft fasziniert waren und versuchten, sich ihren eigenen Reim auf sie zu machen.

Was reizt mich an meinem Forschungsfeld?

Im Alltag komme ich oft mit Menschen ins Gespräch, die über sich und ihre soziale Umgebung reflektieren und sich dabei aus einer quasi-sozialwissenschaftlichen Distanz betrachten. Wir reden dann zum Beispiel über „Geschlechterrollen“ oder einen „Klassenhabitus“. Begriffe wie diese sind aus den Sozialwissenschaften in unseren Alltag „eingesickert“, wurden alltagstauglich gemacht. Ein Reiz meines neuen Forschungsprojektes besteht, in anderen Worten, für mich darin, meine eigene Lebenswelt zu historisieren und besser zu verstehen.

Was ist die größte Herausforderung meiner Forschung?

Während der Arbeit an meiner Dissertation, die von einem Straßenmarkt im frühviktorianischen London handelt, war ich zuweilen überwältigt von der für mich zunächst exotischen Quellensprache, der Fremdheit der Menschen, die ich zu verstehen versuchte. Im Vergleich dazu wirken die Soziologen, mit denen ich mich derzeit beschäftige, vertraut – bis hin zu ihrer antirassistischen und kulturrelativistischen Rhetorik. Eine Herausforderung besteht darin, die Akteurinnen und Akteure zu „verfremden“, sie mit derselben Distanz zu betrachten, wie Menschen aus einer anderen Epoche.

Institutionelle Zuordnung und Aufgabe:

Dr. Ole Münch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut London.

Beiträge aus dem Themenportal

Soziologische Objektivität als Lebensform – ein Fallbeispiel

Ist es möglich, die „Gesellschaft“ zu betrachten, ohne dass Vorurteile die Wahrnehmung verzerren? Bereits seit dem 19. Jahrhundert betreiben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Forschung unter der Prämisse der Objektivität. Auch in der Geschichte der Soziologie spielte sie als „epistemische Tugend“ eine wichtige Rolle. Mit der Frage, wie man ihr gerecht wird, beschäftigten sich zum Beispiel die sogenannten Mass Observer in Großbritannien (1937-1949). Das Ideal der Objektivität beeinflusste nicht nur ihre Forschungsmethoden, sondern auch ihren Habitus und ihre Lebenswelt, wie Ole Münch vom Deutschen Historischen Institut London in seiner Arbeit aufzeigt.