MWN Osteuropa
Ich beschäftige mich mit der Geschichte des Russischen Reichs im 19. Jahrhundert sowie mit der Geschichte der Sowjetunion. Dabei interessieren mich insbesondere das Verhältnis zwischen Individuum und Herrschaft sowie die Funktion und Bedeutung von Ideologie und Religion. Ein weiterer Schwerpunkt meiner Forschungstätigkeit ist die Geschichte des Rechts und der Justiz in den multinationalen, multiethnischen und multireligiösen Kontexten des Russischen Imperiums und der Sowjetunion. Unter anderem habe ich am DHI Moskau in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Russland-Asien-Studien der LMU München den Arbeitsbereich „Russlands Nordpazifik“ aufgebaut.
Mich reizt, die Funktionsmechanismen von Herrschaft in den imperialen, d.h. multiethnischen und multinationalen Kontexten des Russischen Reichs und der Sowjetunion zu erforschen. Besonders gerne arbeite ich mit autobiographischen Quellen, weil sie zeigen, wie Herrschaft auf Menschen wirkt und wie diese sich an der Produktion von Herrschaft beteiligen oder sich verweigern. Die Rechts- und Justizgeschichte ist interessant, weil sie zeigt, wie staatliche Stellen, Gruppen und Individuen ihre Konflikte zu lösen versuchen, wie Herrschaftsansprüche und Vorstellungen einer gerechten Ordnung verhandelt werden und in welchem Verhältnis Recht und Justiz zu Terror und Gewalt stehen.
Die Geschichte Russlands und der Sowjetunion wurde lange fast ausschließlich in der europäischen Geschichte verortet, aber gleichzeitig als ein im Vergleich zu Westeuropa defizitärer Sonderfall angesehen. Ich sehe die Globalgeschichte und die New Imperial History als Chance, um die Geschichte Russlands und der Sowjetunion angemessener darzustellen. Dem trägt u.a. unser Arbeitsbereich „Russlands Nordpazifik“ Rechnung. Sorgen bereitet mir die zunehmende Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit in Russland. Die politische Instrumentalisierung von Geschichte und deren strafrechtliche Reglementierung behindern zunehmend die Erforschung der schwierigen Themen des 20. Jahrhunderts.
Dr. Sandra Dahlke ist Direktorin des Max Weber Netzwerk Osteuropa.