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DHI London

Sina Steglich

Alumnus/Alumna

Damit beschäftige ich mich:

Ich setze mich mit dem Nomadismus als Reflexionsfigur im 20. Jahrhundert auseinander. Das heißt zunächst einmal, dass ich nicht so sehr danach frage, wann wo wie viele Menschen nomadisch lebten und wie sie das taten. Mich interessiert, wann und weshalb Nomadismus in ganz unterschiedlichen und zuweilen auch erklärungsbedürftig erscheinenden Kontexten als Referenz aufkam. Meine Grundannahme ist, dass die Moderne als ein Projekt der Sesshaften zu verstehen ist, das an Staatlichkeit gebunden war, und Nomadismus entsprechend ein zentrales ‚Anderes‘ darstellte.

Was reizt mich an meinem Forschungsfeld?

Reizvoll an diesem Thema ist das Aufeinandertreffen von sozialen Selbstverortungsprozessen im Innern und etwas, das als außerhalb liegend wahrgenommen wurde. Diskussionen über Nomadismus gaben daher nicht so sehr Aufschluss über diese Lebensform, sondern vor allem über die (Selbst-)Wahrnehmung derjenigen, die sie thematisierten. Nomadismus wurde Unabhängigkeit und Autarkie zugeschrieben aufgrund des jahrtausendelang gewachsenen Wissens um ein nicht-extraktives Leben in und mit der Natur. Diese Einschätzung sagt weniger etwas über das Leben in lebensfeindlichen Gegenden aus als über ‚uns‘ als Europäer*innen selbst.

Was ist die größte Herausforderung meiner Forschung?

Im Nomadismus greifen beispielhaft die physische und ideelle Dimension menschlicher Soziabilität ineinander. Neben nomadisch Lebende treten Ideen von und Reflexionen über sie. Es wird also gerade paradigmatisch deutlich, dass sich beide nicht voneinander trennen lassen. Wenn wir das anerkennen, führt dies zu einem anderen Denken, anderen Werte und Praktiken. Das Erleben unterschiedlicher Formen menschlicher Soziabilität initiiert also eine Neujustierung unserer Vorstellung davon. Und diese Ebenen in der Analyse und der Erzählung stets sichtbar zu machen, ist durchaus fordernd.

Institutionelle Zuordnung und Aufgabe:

Dr. Sina Steglich war wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Historischen Institut London.

Beiträge aus dem Themenportal

Jenseits von Entwicklung und Staatlichkeit – Nomadismus als Chiffre für „anderes“ Leben

Der Nomadismus ist eine der ältesten Lebensformen des Menschen. Seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts stieg das Interesse an dieser ungebundenen Lebensführung. In den aufkommenden Debatten wurde Nomadismus sowohl als Entwicklungshemmnis diskutiert als auch zu einer romantisierten Alternative eines ungebundenen, freien Lebens stilisiert.